Digitale Empathie – ein Muss in der digitalen Welt
Kommunikation spielt sich immer häufiger auf digitalen Wegen ab. Im schriftlichen Austausch kann der Sender über Satzzeichen und den Einsatz von Emojis Emotionen signalisieren. Nichtsdestotrotz ist es gar nicht so einfach, immer den richtigen Ton zu treffen oder zu verinnerlichen, was den Menschen am anderen Ende der Leitung bewegt. Noch komplexer wird es, wenn es um die Interaktion zwischen Menschen und Computer, also beispielsweise Sprachassistenten und Chatbots, geht.
Mit Prof. Dr. Alexander Hahn, Professor für Marketing an der Technische Hochschule Nürnberg - Georg Simon Ohm, haben wir über die optimierte Mensch-Computer-Interaktion gesprochen. Auf dem Messekongress Kundenmanagement in Versicherungen am 8./9. Juni wird er in einem Vortrag ebenfalls dazu berichten.
Was verbirgt sich hinter dem Begriff digitale Empathie?
Mit Empathie bezeichnen wir die Fähigkeit von Menschen, die Gefühle, Perspektiven und Motivationen eines anderen Lebewesens nachzuempfinden. Empathische Menschen können ihre Mitmenschen verstehen, auf sie reagieren und ihre Perspektive nachvollziehen. Empathie hat somit eine emotionale und – ganz wichtig und das wird oft vergessen – eine kognitive Komponente.
In der Geschäftswelt sehen wir das zum Beispiel, wenn Service-Mitarbeiterinnen, Beraterinnen oder Kundendienstmitarbeiter sehr erfolgreich Kunden und deren Perspektive verstehen und auf sie eingehen.
Im digitalen Bereich wird Empathie immer wichtiger, da viele Nutzerinnen und Kundinnen nicht mehr nur rein effiziente oder effektive Produkte und Lösungen suchen, sondern auch erwarten, dass sich die Interaktion mit digitalen Touchpoints wie Webseiten oder Apps einfach und gut anfühlt. Sie wollen verstanden werden.
Nun könnte man ja einfach sagen, dass Nutzerinnen und Kundinnen wissen, dass sie mit einer App oder einem Computer interagieren und daher keine Empathie erwarten. Das stimmt so aber nicht.
Menschen tendieren dazu, auch leblosen Objekten menschliche Eigenschaften zuzuschreiben und somit Erwartungen an Empathie zu entwickeln: Sie schreien ihren Computer an, reden dem Auto gut zu oder verlieben sich in ihr Smartphone von Apple.
Somit wird auch in digitalen Interaktionen, vor allem wenn sie auf Conversational Interfaces wie Chatbots und Sprachassistenten beruhen, die digitale Empathie für Marken immer wichtiger. Sie wird zukünftig ein zentrales Differenzierungsmerkmal für Marken sein, um gute User Experience zu gewährleisten.
Wie kann digitale Empathie dabei helfen, die Mensch-Computer-Interaktionen zu gestalten und zu optimieren?
Digitale Empathie fokussiert sich auf zwei Aspekte in der Mensch-Computer-Interaktion: Zunächst geht es einmal darum, den affektiven und kognitiven Status der Nutzerinnen zu erfassen. Wie ist die Stimmung? Was sind die Erwartungen? Was sind vergangene Erfahrungen mit der Marke? Hier sind wir im Bereich des User Experience Research, des CRM sowie der klassischen Marktforschung.
Darauf aufbauend – und deutlich herausfordernder – setzt dann das User Experience Design auf. Gerade mit Optionen der Personalisierung und Individualisierung, des empathischen Copywriting sowie intelligenter User Flows, bekommen Nutzerinnen den Eindruck, dass eine Marke genau auf sie abgestimmt ist und sie versteht.
Lässt sich digitale Empathie messen?
Digitale Empathie lässt sich über unterschiedlichste Methoden messen, die teilweise auch schon lange im Markt etabliert sind. Die kognitive Seite kann man zum Beispiel mit Verhaltensdaten oder auch klassischen Befragungen messen.
Herausfordernder ist die emotionale Seite der Empathie, da Menschen nur unzureichend Auskunft über ihre eigenen Stimmungen geben können. Während wir starke Emotionen wie Hass, Freude oder Angst klar benennen und ausdrücken können, sind die in digitalen Interaktionen oftmals relevanteren zugrundeliegenden Stimmungen wie Unruhe, Ungeduld, Langeweile, freudige Erregung usw. nur schwer zu verbalisieren.
Seit geraumer Zeit beschäftigt sich die multimodale Affective-Computing-Forschung mit der automatisierten Auswertung von Stimmungen. Während anfangs vor allem teure operative Verfahren im Labor eingesetzt wurden, unterstützt nun die Digitalisierung mit Methoden wie Sentiment-Analyse, Facial Coding oder Stimmanalyse. Diese Methoden erzeugen skalierbare und echtzeitfähige Daten. Somit stehen in unterschiedlichen Interaktionsformen auch unterschiedliche Messmethoden zur Verfügung. Diese können entweder in Produkte eingebaut werden oder ex-post für Research genutzt werden.
Dies lässt sofort Fragen zu Datenschutz und Privatsphäre aufkommen, die hier ganz klar adressiert werden müssen. Des Weiteren müssen relevante Anwendungsfälle für Nutzerinnen gestaltet werden, die mit digitaler Empathie einen Mehrwert stiften. Wir sollten hier aber zügig vorgehen, da große digitale Konzerne aus den USA und China bereits flächendeckend Technologien entwickeln und Lösungen einsetzen.
Bild: #683907904 | gettyimages.de
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