Kapitalanlagemanagement in Versicherungen: KI, Erkenntnisse aus der Wissenschaft und Insights aus der Branche

Wie KI Anlageentscheidungen revolutioniert, welche Rolle Diversität bei Private-Equity-Deals spielt und wo die Fallstricke bei Solvency II lauern – unser Jubiläumstreffen der User Group Kapitalanlagemanagement bot exklusive Einblicke aus Wissenschaft und Praxis.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Finanzen & Risiko
Themen:
Kapitalanlage ChatGPT / Generative AI KI / AI / künstliche Intelligenz
Kapitalanlagemanagement in Versicherungen: KI, Erkenntnisse aus der Wissenschaft und Insights aus der Branche

Was vor 20 Jahren begann, ist heute eine feste Institution: Die User Group Kapitalanlagemanagement feierte im September 2025 ihr 40. Arbeitstreffen – ein Jubiläum, das für 20 Jahre Know-how, 400 Stunden intensives Netzwerken und 268 Stunden an Fachvorträgen steht. Matthias Warmuth, Leiter Risikomanagement & Finanzen bei den Versicherungsforen Leipzig, eröffnete das Treffen mit einem herzlichen Dank an die Wegbegleiter der ersten Stunde und treue Unternehmen wie Allianz, Talanx, Nürnberger Versicherung, Öffentliche Braunschweiger und VPV. Im Zentrum des Arbeitskreises standen in diesem Jahr Themen wie KI, Kapitalanlagestrategien, aber auch Einblicke aus der Wissenschaft.  

Der Beitrag gibt einen Einblick in die Themen und den Austausch.  

KI-gestütztes Assetmanagement: Revolution oder nur eine Nische? 

Künstliche Intelligenz (KI) im Assetmanagement ist ein Thema, das die Kapitalanleger in den letzten Jahren beschäftigt hat. Hans-Georg Pietruck von der Ultramarin Capital GmbH gab praxisnahe Einblicke und zeigte auf, wie KI-basierte Prognosemodelle Anlageentscheidungen verbessern können.  
 
Die Vorteile der KI liegen dem Experten zu Folge klar auf der Hand: 

  • Umfassende Datenanalyse: Durch die Nutzung heterogener Datenquellen entsteht ein ganzheitliches Bild des Marktes. 
  • Erkennung verborgener Muster: KI identifiziert komplexe, nichtlineare Abhängigkeiten, die für klassische Modelle unsichtbar bleiben. 
  • Minimierung von Voreingenommenheit (Bias): Rationale KI-Entscheidungen reduzieren den Einfluss subjektiver menschlicher Verzerrungen. 

Besonders die Transparenz der KI-Entscheidungen, die bei Ultramarin durch die Plattform „Ultrascope“ sichergestellt wird, sowie die vorgestellten Fallstudien sorgten für eine angeregte Diskussion unter den Teilnehmenden. Ob KI nun das Assetmanagement revolutionieren wird oder eher bei der Entscheidungsfindung unterstützend genutzt werden sollte, darüber diskutierten die Expertinnen und Experten im Arbeitskreis. Die Vorteile von KI werden erkannt, auf die menschliche Komponente wollen die Versicherer zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch nicht verzichten.  

Jasper Reese von den Concordia Versicherungen hatte ebenfalls einen KI-Case dabei: In seinem Vortrag ging es um KI-gestützte Vorhersagen von Credit-Default-Swap-Spreads (CDS-Spreads). Er demonstrierte, wie durch die Analyse von Nachrichtentexten eine statistisch nachweisbare Korrelation zwischen dem öffentlichen Sentiment und der Entwicklung von CDS-Spreads hergestellt werden kann. So korreliert dem Experten nach ein negatives Stimmungsbild in den Nachrichten signifikant mit einer Ausweitung der Risikoprämien. 

Private Equity: Aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung 

Prof. Dr. Bernhard Schwetzler vom Center for Corporate Transactions and Private Equity CCTPE an der HHL Leipzig Graduate School of Management analysierte in seinem Vortrag die Werttreiber von Private-Equity-Deals. Er stellte fest, dass die überlegene Performance von Buy-and-Build-Strategien maßgeblich auf dem „Sourcing-Effekt“ beruht, bei dem günstigere Add-on-Unternehmen erworben werden.  

Weiterhin diskutierte er den Einfluss von Diversität im Teamgefüge, der ebenfalls wissenschaftlich untersucht wurde: Soziodemografische Vielfalt (z.B. Geschlecht, Nationalität) beeinflusst die Fonds-Performance positiv, während berufliche Diversität (z. B. unterschiedliche Ausbildung) tendenziell negative Effekte hat. Als praktische Anwendung der Forschung stellte der Experte den HHL/FTI-Andersch Diversity Performance Index vor, ein Online-Tool zur Selbstbewertung der Führungsdiversität in Fonds.   

Markt(in)konsistenz: Die Fallstricke bei der Modellierung von Kapitalanlagekosten 

Ein kritisches, aber hochrelevantes Thema beleuchtete Dr. habil. Michael Florig von der Crédit Agricole CIB. Er erläuterte, wie die aktuelle Bewertungspraxis unter Solvency II zu einer problematischen Doppelzählung von Kapitalanlagekosten führt. Das Problem: Marktpreise enthalten bereits die durchschnittlichen Kosten aller Marktteilnehmer. Wenn Versicherer ihre eigenen Kosten zusätzlich explizit abziehen, führt dies zu einer systematisch zu niedrigen Bewertung ihrer Kapitalanlagen. Einen Lösungsvorschlag hatte der Experte ebenfalls dabei, mit dem die durchschnittliche Solvency-II-Quote erheblich verbessert und Fehlanreize für Investitionen vermieden werden können. 

Ein Blick in die Praxis der Lebensversicherung 

Unter der Leitfrage „Was kann die Kapitalanlage zu LV-Produkten beitragen?“ wurde deutlich, dass die Branche Potenzial darin sieht, mehr zu sein als ein „ETF-Depot mit Versicherungsmantel“. Die Kapitalanlage kann über kollektive Puffermechanismen, langfristige Steuerung und den Zugang zu exklusiven Assetklassen wie Private Equity, Infrastruktur- oder illiquiden verzinslichen Anlagen echten Mehrwert schaffen. Diese Stärken – Stabilität, Diversifikation und steuerliche Vorteile – heben Lebensversicherungen strukturell von Direktinvestments ab. Doch die Herausforderung bleibt, Kundinnen und Kunden diesen Mehrwert auch verständlich zu vermitteln. Wenn Rendite und Transparenz zunehmend im Vordergrund stehen, ist es schwierig, die langfristigen und oft komplexen Vorteile institutioneller Kapitalanlagen greifbar zu machen. Die Zukunftsfähigkeit der Lebensversicherung hängt damit nicht nur von der Anlagestrategie ab, sondern ebenso von der Fähigkeit, Vertrauen und Verständnis für diese besonderen Mechanismen zu schaffen. 

Blick in die „Aktuelle Stunde“: Was bewegt die Branche? 

Ein fester Bestandteil jeden Arbeitstreffens ist die „Aktuelle Stunde“ – eine offene Runde, in der die drängendsten Fragen der Teilnehmenden diskutiert werden: 

  • Zunehmende Staatsverschuldung: Werden Unternehmensanleihen zukünftig zur sichereren Anlageklasse? Hierzu gab es in der Diskussion ein uneinheitliches Bild. 
  • Markteinschätzung zum Jahresende: Wie ist die Stimmungslage für den Immobilienmarkt in Deutschland und Europa sowie für den globalen Aktienmarkt? Auch hier zeigte sich kein klarer Konsens. Als wesentliche Unsicherheitsfaktoren im Immobiliensektor wurden insbesondere inflationsbedingte Ausfälle und ein stagnierendes Bevölkerungswachstum identifiziert. 

Das 40. Treffen der User Group hat eindrucksvoll gezeigt, wie relevant der Austausch über zukunftsweisende Themen und aktuelle Herausforderungen für die Kapitalanlagebranche bleibt. Wir freuen uns auf die nächsten Treffen!