Kundenmanagement in Versicherungen 2025: Trends, Thesen, Technologien
Der Messekongress Kundenmanagement 2025 zeigte anhand zahlreicher Praxisbeispiele, wie die Versicherungsbranche durch den gezielten Einsatz von KI, eine mitarbeiterzentrierte Servicekultur und innovative Technologien die Beziehung zum Kunden neu gestaltet, um der digitalen Entfremdung mit emotionalen und effizienten Erlebnissen zu begegnen.

Der 7. Messekongress Kundenmanagement in Versicherungen brachte 250 Teilnehmende, darunter 70 Referierende und 30 Aussteller, in Leipzig zusammen. Neben der Ausstellermesse gab es wieder zahlreiche Vorträge aus der Versicherungspraxis. Über alle Vorträge und Diskussionen hinweg kristallisierte sich ein klares Bild heraus: Echter Erfolg basiert auf dem harmonischen Zusammenspiel von Kunden, Mitarbeitenden, Daten und Technologie.
Die strategische Antwort auf den „entfremdeten Kunden“
Ein zentrales Thema des Kongresses war die wachsende Kluft zwischen Kundenerwartungen und der Realität in der Versicherungsbranche. Dr. Katja Gerke (Bavaria Direkt / Versicherungskammer) eröffnete mit ihrer Keynote über den „entfremdeten Kunden“ und warnte: „Wir müssen aufpassen, dass wir die Kunden an der Stelle nicht verlieren, weil sie in einer Welt leben, in der sie morgens mit der Meldung einer App begrüßt werden.“
Ihre Lösung ist ein integriertes Omnikanalmodell, das auf normierten Daten und moderner IT basiert, und so ermöglicht, modulare, lebensbegleitende Produkte zu schaffen.
Diese strategische Ausrichtung wurde in der Experten-Diskussion am zweiten Tag untermauert. Das Fazit von Justus Lücke (Versicherungsforen Leipzig), Prof. Dr. Heiko Auerbach, Prof. Dr. Matthias Beenken und Susanne Herschung (andsafe AG) war einstimmig: Es braucht „mehr Mut und mehr Kultur“. Der größte Hebel sei der Mensch, denn Technologie könne erst wirken, wenn die Kultur stimmt.
Künstliche Intelligenz: Vom Buzzword zum Business Case
Künstliche Intelligenz war kein Zukunftsthema mehr, sondern gelebte Praxis. Stefan Weller (Konzern Versicherungskammer) zeigte, wie GenAI bereits heute für die Content-Erstellung im Versicherungsmarketing genutzt wird und betonte: „In Zukunft werden die Agenturen erfolgreich sein, die in der Lage sind, KI effektiv einzusetzen.“
Die Anwendungsfälle zogen sich durch alle Bereiche:
- Prozessautomatisierung: Mirek Sindler (BavariaDirekt) machte klar: „Ohne die Benutzung von Automatisierungsbeschleunigern wird die Welle über uns zusammenbrechen.“ Er zeigte am Beispiel eines vollautomatisierten Kündigungsprozesses, wie KI die Effizienz steigert.
- Kundenfeedback: Dr. Eric Lennartz (ERGO Group AG) und Tobias Klinke (experial) arbeiten an KI-simulierten Kundenpanels, um Feedbackprozesse massiv zu beschleunigen.
- Reputationsmanagement: Isabell Damaschek (WERTGARANTIE) präsentierte mit „MagicReply“ ein GPT-Tool, das die Beantwortung von Online-Rezensionen automatisiert und die Bearbeitungszeit pro Fall von acht auf drei Minuten senkt.
- Emotionale Kampagnen: Tim Heiseke (neue leben) stellte die KI-Kampagne „Triff dein Zukunfts-Ich“ vor, die Altersvorsorge durch ein KI-gestütztes Aging-Modell emotional erlebbar macht.
Der doppelte Fokus: Mitarbeiter- und Kundenzentrierung
Ein wiederkehrendes Mantra des Kongresses war, dass exzellente Customer Experience (CX) bei einer exzellenten Employee Experience (EX) beginnt. Kai Schumacher und Katja Wesselmann (Albatros) stellten klar: „Mitarbeitererlebnis ist Kundenerlebnis.“ Sie zeigten, wie eine auf den vier Säulen der Salutogenese (Sinn, Beziehungen, Gesundheit, Lernkultur) basierende Mitarbeiterförderung den Unternehmenserfolg direkt beeinflusst.
Dieser Gedanke wurde in vielen Vorträgen gespiegelt:
- Servicekultur: Daniel Budde (Swiss Life), Janice Rockstroh und Lisa Kilger (beide Versicherungsforen Leipzig) betonten, dass eine gelebte Servicekultur eine Balance aus Standardisierung und Individualität sowie aus Kennzahlenfokus und intrinsischer Motivation der Mitarbeitenden benötigt.
- Interne Talententwicklung: Andreas Morlock und Anne Pilgram (VPV Service GmbH) zeigten, wie die Weiterentwicklung von Talenten aus den eigenen Reihen dem Fachkräftemangel entgegenwirkt und gleichzeitig wertvolles internes Wissen nutzt.
- Ganzheitliche User Experience (UX): Susanne Herschung (andsafe AG) berichtete von ihren Learnings, UX nicht als isoliertes Thema, sondern als unternehmensweite Haltung zu verstehen, die Kunden, Vermittler und Mitarbeitende gleichermaßen einbezieht.
- Psychologie des Feedbacks: Prof. Dr. Andreas Schöler erklärte die psychologischen Treiber hinter Kundenfeedback und betonte, wie wichtig es ist, Rückmeldungen wertzuschätzen, um Zufriedenheit zu schaffen.
Technologie als Erlebnis: Von Wearables bis zu digitalen Avataren
Neben KI wurden zahlreiche weitere Technologien vorgestellt, die das Kundenerlebnis transformieren. Der Fokus lag dabei stets darauf, komplexe Themen greifbar und den Service menschlicher zu machen.
- Hyper-Personalisierung mit Wearables: Jörn Watzke (Garmin) zeigte, wie Echtzeit-Gesundheitsdaten aus Wearables nicht nur die Prävention fördern, sondern auch die Kundenbindung revolutionieren können, indem sie eine hochpersonalisierte Ansprache ermöglichen.
- Interaktive Video-Avatare: Ulrike Heiland (Die Techniker) präsentierte mit „sayHello“ einen Service, bei dem digitalisierte Mitarbeiter als Avatare Expats in sechs Sprachen beraten und so eine digitale, aber dennoch menschliche Kommunikation schaffen.
- Der Dialog Simulator: Als krönenden Abschluss präsentierte Neven Rebic (Generali) ein Tool, das Versicherungsthemen wie Berufsunfähigkeit durch eine „mentale Probefahrt“ emotional erlebbar macht. Sein Motto: „Erlebnis statt Erklärung“. Anhand der Visualisierung eines schrumpfenden Wohnraums bei Einkommensverlust wird der Bedarf greifbar.
- Digitale Workflow-Lösungen: Maximilian Jekutsch (Flixcheck GmbH) und Kevin Häner (Baloise) stellten ihr Innovations-Ökosystem vor, das mit einem digitalen Baukastensystem die Kundenzufriedenheit auf 90 Prozent steigerte.
Der Vertrieb im Wandel: Zwischen persönlicher Beratung und digitaler Effizienz
Auch der Vertrieb steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Stefan Schnichels (Allianz Consulting) betonte, dass der Versicherungsvermittler der Zukunft digitale Tools konsequent nutzen und Kundenerwartungen aktiv managen muss, wobei die persönliche Beratung elementar bleibt. Prof. Dr. Matthias Beenken präsentierte eine Studie, die zeigte, dass Kunden Wahlmöglichkeiten zwischen Brutto- und Nettotarifen schätzen und pauschale Provisionsverbote die Abschlussbereitschaft sogar senken könnten. Matthias Marius Möller gab Einblicke, wie die RheinLand Versicherungen ihre Vertriebsunterstützung durch cross-funktionale, selbstorganisierte Teams neu aufgestellt haben.
Der Messekongress endete mit dem klaren Bild, dass die Zukunft der Versicherungsbranche menschzentriert, datengetrieben und technologisch innovativ sein muss. Wir sehen uns wieder am 16./17. Juni 2026 in Leipzig!