Biodiversität – Warum Versicherer sich damit beschäftigen müssen

Im Interview mit gleich zwei Biodiversitätsexpertinnen erfahren wir, warum Biodiversität für die Versicherer so wichtig ist.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Strategie & Innovation
Themen:
Nachhaltigkeit
Biodiversität – Warum Versicherer sich damit beschäftigen müssen

In einer Zeit, in der Umweltthemen zunehmend in den Fokus rücken, gewinnt das Thema Biodiversität auch in der Versicherungsbranche an Bedeutung. Biodiversität, die Vielfalt des Lebens auf unserem Planeten, ist nicht nur ein ökologisches Anliegen, sondern beeinflusst auch direkt die Risikolandschaft für Versicherer.  

Im Interview mit gleich zwei Biodiversitätsexpertinnen erfahren wir, warum Biodiversität auch für Versicherer relevant ist. Angela McClellan, Director Sustainable Finance bei PwC Deutschland, und Janka Stöwahse, ebenfalls Director bei PwC, haben unsere Fragen beantwortet. 

Inwiefern ist es für Versicherer wichtig, sich mit dem Thema (Verlust von) Biodiversität zu beschäftigen? 

Janka Stöwahse: Laut einer Studie des World Economic Forum (WEF) sind mehr als 50 Prozent der Wirtschaftssektoren in starkem oder moderatem Maß von Biodiversität und intakten Ökosystemen abhängig. Alle Wirtschaftssektoren zu einem gewissen Grad. Insbesondere die Land- und Forstwirtschaft sowie der Lebensmittelsektor sind stark betroffen. Versicherer müssen Naturrisiken in ihr ESG-Risikomanagement einbeziehen. Außerdem gibt es zahlreiche regulatorische Pflichten zum Thema Schutz und Erhalt von Biodiversität und Ökosystemen: Die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) schreibt bei der „Materialität“ basierend auf der EU-Biodiversitätsstrategie eine Offenlegung von Policies, Maßnahmen und Zielen vor. Zudem haben am 21. Dezember 2023 EFRAG und TNFD (Taskforce on Nature-related Financial Disclosures) eine Vereinbarung unterschrieben, bei der Entwicklung einer naturbezogenen Berichterstattung zu kooperieren. TNFD hatte bereits im September 2023 entsprechende Empfehlungen veröffentlicht. Auch die Taxonomieverordnung verlangt ab 2024 die Offenlegung der Taxonomiequoten für die Umweltziele drei bis sechs, darunter Biodiversität. In der Offenlegungsverordnung (SFDR) gibt es im Rahmen des Reportings zu den negativen Nachhaltigkeitsauswirkungen (PAI) die Verpflichtung zur Offenlegung der Nähe zu Biodiversitäts-Hotspots, also besonders vulnerablen Gebieten. Hinzu kommen aufsichtsrechtliche Erwartungen seitens der EIOPA, die Biodiversitätsrisiken als größeres Risiko für die Finanzmarktstabilität betrachtet. Mehr noch als Klimarisiken. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, schrittweise aufsichtsrechtliche Erwartungen für das Management von naturbasierten Risiken und Auswirkungen festzulegen. 

PWC hat in 2022 eine Studie zum Thema „Von Net Zero zu Nature Positive – warum sich der deutsche Finanzsektor jetzt mit Biodiversität beschäftigen sollte“ durchgeführt. Was habt ihr dabei herausgefunden?

Angela McClellan: Zum Zeitpunkt der Studie (Umfrage ist von September 2022, Publikation der Studie war parallel zur Conference of the Parties zur biologischen Vielfalt im Dezember 2022) wurde von den Befragten die Klimakrise und die Möglichkeit mit Biodiversitätsmaßnahmen CO2 einzusparen (bspw. Aufforstung) als wichtigster Grund gesehen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Außerdem sind Compliance-Aspekte ein wesentlicher Treiber und entsprechend werden transitorische Risiken als wichtigste Risikokategorie betrachtet. Die fehlende Datenverfügbarkeit sowie das Fehlen von allgemein anerkannten Definitionen und Metriken werden als Haupthindernisse genannt, sich mit der Thematik zu beschäftigen. Das Thema Natur ist multi-dimensional: Es umfasst Landnutzung, beispielsweise nachhaltige Landwirtschaft, Naturschutzflächen sowie Artenvielfalt - je nach Definition wird auch Wasser einbezogen. Es lässt sich nicht anhand eines einzigen Indikators messen. PwC plant die Umfrage Anfang 2024 zu wiederholen.

Die Messbarkeit und in dem Zusammenhang das Fehlen von KPIs wird als Hauptgrund der mangelnden Berücksichtigung genannt. Wie kann es trotzdem gelingen, die Risiken einzubeziehen?

Angela McClellan: Es gibt Tools, die bei der Datensammlung und im Risikomanagement helfen. Die TNFD hat den LEAP-FI Prozess entwickelt, der in vier Schritten Handlungsempfehlungen gibt. PwC hat diese vier Schritte in seiner Guidance "Managing Biodiversity Risks and Opportunities" aufgearbeitet.

Wer tiefer in das Thema Biodiversität eintauchen möchte, hat am 27. Februar 2024 Gelegenheit dazu. In Kooperation mit PwC führen wir einen Workshop durch. In diesem können Sie sich frühzeitig intensiv mit dem Thema Biodiversität auseinandersetzen, bekommen einen Überblick über die regulatorischen Grundlagen und erfahren etwas über den aktuellen Umsetzungsstand in deutschen Finanzunternehmen. Anhand von Praxisbeispielen lernen Sie mögliche Vorgehensweisen im Banken- und Versicherungsbereich kennen und können die damit verbundenen Herausforderungen mit anderen Häusern diskutieren.

Ein Beitrag aus dem Center for Sustainable Insurance!

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